2.11.6. Die Taylorreihe.

Es sei f : ] R,R[ , R > 0, eine im Punkt x0 = 0 beliebig oft reell differenzierbare Funktion. Die Taylorsche Formel bezüglich des Punktes x0 = 0 sagt aus, daß

f(x) = Tn(x)+rn(0; x)mitTn(x) = k=0nf(k)(0) k! xk,r n(0; x)= x 0o(xn). (2.11.6.1)

Dies erlaubt eine Approximation von f bis auf eine beliebig vorgegebene Ordnung o(xn) durch ein Polynom Tn(x) für x 0. Auf der anderen Seite bedeutet dies aber nicht, daß die Partialsummen Tn(x) auch nur für ein bestimmtes fixiertes x0 konvergieren muß.

Betrachten wir die sogenannte Taylorreihe

t(x) = lim nTn(x) = k=0a kxk,a k = f(k)(0) k! ,

genauer. Besitzt diese Potenzreihe einen positiven Konvergenzradius R > 0, so konvergiert diese Reihe t(z) = k=0a kzk für alle komplexen z mit |z| < R. Dann ist die Funktion t(z) nach Satz 2.11.5.1 insbesondere beliebig oft im Punkt z0 = 0 komplex differenzierbar. Formel (2.11.5.1) gibt dann

t(n)(0) n! = an = f(n)(0) n! ,n .

Damit stimmen die Taylorkoeffizienten der Funktion t(z) im Punkt 0 mit denen der Funktion f(x) im Punkt 0 überein; beide Funktionen besitzen bezüglich des Punktes x0 = 0 ein und dieselbe Taylorentwicklung.

Wir unterstreichen, das letzteres nicht notwendigerweise bedeutet, daß die Funktionen t und f auf ihrem gemeinsamen Definitionsbereich übereinstimmen. Als Beispiel betrachte man die Funktion

f(x) = e 1 x2 fürx \{0}undf(0) = 0.

Man verifiziert leicht, daß f im Punkt x = 0 beliebig oft reell differenzierbar ist und dabei

f(n)(0) = 0,n ,

gilt. Damit ergibt sich die entsprechende Taylorreihe t(z) = 0 für alle z , was für reelle Argumente offensichtlich nicht mit der Funktion f übereinstimmt.

Aus (2.11.6.1) sieht man hingegen, daß

f(x) = lim nTn(x) = k=0f(k)(0) k! xk

genau dann gilt, wenn rn(x) 0 für n . In diesem Fall sagt man, daß sich die Funktion f im Punkt x durch seine Taylorreihe (bezüglich x0 = 0) darstellen läßt. Der nächste Satz liefert ein Kriterium für diese Eigenschaft:

SATZ 2.11.9. Es sei R eine positive Zahl, so daß zum einen die Funktion f : [R,R] beliebig oft differenzierbar ist und außerdem eine endliche Konstante C existiert, so daß

|f(x)| + |f(k)(x)| Cfür  allek ,x ] R,R[.

Dann ist f(x) für x ] R,R[ durch seine Taylorreihe bezüglich x0 = 0 darstellbar.

Als erstes stellen wir fest, das die Potenzreihe

t(x) = k=0a kxkmita k = f(k)(0) k!

wegen |ak| Ck! den Konvergenzradius R = + besitzt. Insbesondere konvergiert diese Reihe für alle x . Zur Abschätzung des Restgliedes verwenden wir die Formel

rn(x0; h) = hn+1 n! 01f(n+1)(x + th)(1 t)ndt,h = x x 0.

Für x0 = 0 und h = x folgt

|rn(0; x)|C|x|n+1 n! 01(1 t)ndt CRn+1 (n + 1)!

und damit

|rn(0; x)| 0fürn .

Ist eine Funktion in einer gewissen Umgebung von x0 = 0 durch ihre Taylorreihe darstellbar, so konvergiert nach der allgemeinen Theorie der Potenzreihen die Taylorreihe im Inneren des Konvergenzkreises mit dem Konvergenzradius R absolut, in jedem UR1¯ mit R1 < R gleichmäßig und die Reihe ist in UR beliebig oft gliedweise komplex differenzierbar.

Man kann die oben gegebenen Betrachtungen sofort auf Taylorreihen

t(z) = k=0a k(z z0)k,a k = f(k)(z 0) k! ,

bezüglich eines Punktes z0 verallgemeinern. Gilt f(z) = t(z) für z Uε(z0), ε > 0, so sagt man, daß die Funktion f in der Umgebung Uε(z0) von z0 durch ihre Taylorreihe darstellbar ist.

Zum Abschluß geben wir noch folgende Definitionen:

DEfiNITION 2.11.10. Es sei V eine offene Teilmenge in . Wir nennen V zusammenhängend, wenn zu beliebigen z1,z2 V eine Jordansche Kurve endlicher Länge Γ V existiert, welche z1 und z2 verbindet.

 

DEfiNITION 2.11.11. Es sei V eine offene, zusammenhängende Teilmenge von . Ist eine Funktion f : V in einer gewissen Umgebung Uε(z0), ε = ε(z0) > 0, jedes beliebigen Punktes z0 V durch ihre Taylorreihe darstellbar, so nennt man f eine analytische Funktion in V .