3.1.3. Zur Äquivalenz von Normen im Fall von endlichen und unendlich vielen Dimensionen.

Es gibt signifikante Unterschiede zwischen endlich- und unendlichdimensionalen normierten Räumen, wie wir hier an zwei Beispielen illustrieren wollen. Diese dienen vor allem zur Warnung davor, “gewohnte” Eigenschaften der Räume n und n ohne weiteres auf den unedlichdimensionalen Fall zu verallgemeinern.

Auf den Räumen n und n kann man verschiedene Normen definieren. Für einen Vektor x = (x1,,xn) Kn kann man neben der Euklidschen Norm x = k=1n|x k|2 12 z.B. die Normen

x1 = k=1n|x k|, x = max k=1,,n|xk|

definieren.

AUFGABE 3.1.4. Beweisen Sie, daß 1 und Normen auf Kn sind.

SATZ 3.1.5. Es seien A und B zwei Normen auf Kn. Dann sind diese äquivalent, d.h. es existieren zwei positive, endliche Konstanten c = c(n,A,B) und C = C(n,A,B), so daß

cxA xB CxA,x Kn.

Zunächst stellen wir fest, daß

x = max k=1,,n|xk|x = k=1n|x k|2 12.

Es sei1 ek = (δ1k,,δnk), k und damit gilt für x = (x1,,xn) die Zerlegung x = k=1nx kek. Dann folgt für die Norm A nach der Dreiecksungleichung und der Homogenität die Abschätzung

xA = k=1nx kek A k=1nx kekA = k=1n|x k|ekA n max k=1,,n|xk|max k=1,,nekA = nMx nMx

mit M = max k=1,,nekA < . Aus der Dreiecksungleichung für A folgt

xA yA x yA

und damit ist wegen

xA yA x yA nMx y,x,y Kn,

die Abbildung A : Kn stetig bezüglich der Euklidschen Norm .

Wir betrachten nun die Restriktion dieser Funktion

A : K aufx K = {x Kn|x = 1} Kn.

Die Menge K ist bezüglich eine abgeschlossene und beschränkte Teilmenge von Kn; nach dem Satz von Bolzano ist diese Menge kompakt.2 Die stetige Funktion xA : K nimmt nach dem Satz von Weierstrass damit ihr

Minimum m1 = min xKxA = x A und  Maximum m2 = max xKxA = x A

für geeignete x K und x K an. Da x = 1 und damit x0, so folgt

m1 = x A > 0.

Desweiteren ist offensichtlich

0 < m1 m2 = x A nM < .

Für allgemeines x Kn, x0 sei ex = x1x. Damit gilt ex K und x = xex. Aus

0 < m1 exA m2 <

folgt nach Multiplikation mit x schließlich

0 < m1xxexA = xexA = xA m2x < .

Auf gleichem Wege folgt

0 < m̃1xxexB = xexB = xB m̃2x < .

Die Kombination der letzten beiden Ungleichungen beweist den Satz.

Der eben bewiesene Satz läßt sich leicht auf beliebige endlichdimensionale normierte Räume verallgemeinern. Er gilt aber nicht für unendlichdimensionale Räume, wie wir an folgendem Gegenbeispiel illustrieren.

Auf der Menge C([a,b], K), a < b, führen wir neben der kanonischen Norm

fC = max x[a,b]|f(x)|,f C([a,b], K),

das Funktional

f1 =ab|f(x)|dxf C([a,b], K),

ein. Da für stetige Funktionen f auch |f| stetig und damit integrierbar ist, so ist die Größe f1 wohldefiniert.

LEMMA 3.1.6. Das Funktional 1 stellt eine Norm auf der Funktionenmenge C([a,b], K) dar.

Tatsächlich, für beliebiges α K und f C([a,b], K) folgt

αf1 = ab|(α f)(x)|dx =ab|αf(x)|dx = ab|α||f(x)|dx = |α|ab|f(x)|dx = |α|f 1.

Desweiteren folgt aus der Dreiecksungleichung für den Absolutbetrag

f + g1 = ab|(f + g)(x)|dx =ab|f(x) + g(x)|dx ab(|f(x)| + |g(x)|)dx = f 1 + g1

für beliebige f,g C([a,b], K). Wegen |f(x)| 0 gilt offensichtlich

f1 =ab|f(x)|dx 0.

Ist f0, d.h. gibt es ein x0 [a,b] mit f(x0)0 und folglich |f(x0)| = δ > 0, so existiert aufgrund der Stetigkeit von |f| ein ε > 0 mit

|f(x)| δ2 > 0fürx ]x0 ε,x0 + ε[ [a,b]

und damit

f1 =ab|f(x)|dx max{a,x0ε}min{b,x0+ε}|f(x)|dx min{ba,ε}δ 2 > 0.

Wir betrachten nun die in (3.1.2.1)-(3.1.2.2) definierten Funktionen uk auf dem Intervall [a,b] = [0, 1]. Man sieht leicht, daß

ukC = max x[0,1]|uk(x)| = 1,k ,

während

uk1 =01|u k(x)|dx =xk+1xk sin xk x xk xk+1πdx = 2(xk xk+1) π ,k ,

woraus bei xk = k1 die Konvergenz

uk1 = 2 πk(k + 1) 0fürk

folgt. Damit können C und 1 nicht äquivalent sein.

Wir betonen, daß die Funktionenmenge C([a,b], K) bezüglich der Norm 1 nicht vollständig ist. Über die Struktur der “Vervollständigung” dieses Raumes bezüglich der Integralnorm sprechen wir im Rahmen der Lebesgue-Theorie.

1Hier bezeichnet δjk das Kronecker-Symbol.

2Hier fließt ein, daß Kn ein endlichdimensionaler Raum ist, siehe auch die weiteren Kommentare in diesem Abschnitt.