3.15.2  Das Newtonsche Verfahren.

Im Newtonschen Verfahren (der Tangentenmethode) ersetzen wir die Funktion f(x) durch Tangenten an diese Funktion. Wir nehmen zunächst an, dass einer der Fälle (a) oder (d) vorliegt. Die Gleichung der Tangente im Punkt b ist gegeben durch16

g(x) = f(b) + f(b)(x b).

Diese Tangente schneidet die x-Achse im Punkt

x1 = b f(b) f(b).

Da diese Tangente im Fall (a) unterhalb einer monoton wachsenden konvexen Funktion und im Fall (d) oberhalb einer monoton fallenden konkaven Funktion liegt, so gilt ξ < x1 < b. Iteriert man dieses Verfahren durch

xn+1 = xn f(xn) f(xn), (3.57)

so erhält man eine monoton fallende Folge {xn}n=1 mit

ξ < < xn < < x1 < b.

Als monotone und beschränkte Folge besitzt {xn}n=1 einen Grenzwert x. Geht man in (3.57) zum Grenzwert über, so erhält man

x = x f(x) f(x).

Wegen f(x)0 ist dies äquivalent zu f(x) = 0. Damit konvergiert die Folge {xn}n=1 gegen ξ.

Wir führen nun eine Fehlerabschätzung für diese Konvergenz durch. Die Taylorsche Formel für f im Punkt ξ gibt wegen f(ξ) = 0 die Identität

f(x) = f(ξ)(x ξ) + f(ξ) 2! (x ξ)2 + o((x ξ)2),x ξ. (3.58)

Wegen der Beschränktheit von f existiert damit eine Konstante M, so dass

|f(x) f(ξ)(x ξ)| M(x ξ)2,x ]a,b[. (3.59)

Wir setzen hn = ξ xn. Dann gilt unter Anwendung von (3.57) und (3.59) |hn+1| = |ξ xn+1| = ξ xn + f(xn) f(xn) = hnf(x n) f(xn) hnf(ξ) f(xn) + f(xn) + f(ξ)h n f(xn) hn f(xn)(f(x n) f(ξ)) + M hn2 f(xn) .

Nach der Formel von Lagrange gilt f(ξ) f(x n) = f(c)h n für einen gewissen Punkt c zwischen ξ und xn. Nach Satz 2.13.7 ist min x[a,b]|f(x)| > 0 und damit

|hn+1| M min x[a,b]|f(x)||hn|2,n . (3.60)

Im weiteren Verlauf der Vorlesung werden wir sehen, dass man die Taylorsche Zerlegung (3.58) folgendermassen spezifizieren kann: Unter den gegebenen Voraussetzungen gilt

f(x) = f(ξ)(x ξ) + f(c) 2! (x ξ)2

für einen gewissen Punkt c zwischen ξ und x. Damit lässt sich die Konstante M in (3.59) durch max x[a,b]|f(x)| ersetzen, was die Schranke (3.60) in

|hn+1| max x[a,b]|f(x)| min x[a,b]|f(x)||hn|2,n , (3.61)

überführt.

Im Fall (b) oder (c) beginnt die Konstruktion der Tangenten im Punkt a und führt auf gleiche Weise zu einer monoton wachsenden Folge {xn}n=1, welche gegen ξ konvergiert. Die Abschätzung (3.61) lässt sich auf diesen Fall ausweiten.

16Wir setzen voraus, dass die halbseitige Ableitung f(b 0) existiert und dass deren Wert mit der stetigen Fortsetzung von f(x) zu f(b) übereinstimmt.