4.9.3  Die Parametrisierung einer Kurve durch ihre Bogenlänge.

Wie oben bereits angedeutet ist die Wahl einer erzeugenden Funktion φ : [a,b] n zur Parametrisierung einer als Punktmenge gegebenen Kurve Γ = Γφ einer gewissen Willkürlichkeit unterworfen. Ist jedoch erst einmal eine C1-Darstellung Γφ = φ([a,b]) gegeben, so kann man eine kanonische Parametrisierung konstruieren, welche sich auf geometrische (und damit von der konkreten Wahl von φ unabhängige) Daten der Kurve stützt.

Es sei φ eine Parametrisierung der Klasse C1. Damit gilt insbesondere φ(t)0 für alle t [a,b]. Wir betrachten nun die Bogenlänge S(t) des Kurvenabschnittes Γt = φ([a,t]). Dann gilt

S(t) =at φ(τ) dτ,t [a,b].

Folglich ist S : [a,b] [0,L(Γφ)] nach Lemma 4.5.2 eine stetige Funktion, welche wegen Satz 4.3.6 und Satz 4.3.5

S(t) = φ(t) > 0 (4.66)

erfüllt, und damit nach Satz 3.10.2 streng monoton wächst. Also existiert eine nach Satz 2.12.28 stetige inverse Abbildung S1 : [0,L(Γ φ)] [a,b]. Diese ist in der Variablen s = S(t) stetig differenzierbar wobei

dS1 ds s=s0 = 1 dS dt t=t0 = 1 φ(t0) ,s0 = S(t0).

Wir betrachten nun die Parametrisierung r : [0,L(Γφ)] n, bei der jeder Punkt r(s) Γ = Γφ die Bogenlänge s des Kurvenstücks von φ(a) bis r(s) zugeordnet wird

r(s) = (φ S1)(s) = φ(t),s = S(t).

Man nennt dies auch die kanonische oder die natürliche Parametrisierung einer Jordanschen Kurve. Als Komposition stetig differenzierbarer Funktionen ist r selbst stetig differenzierbar, und es gilt

dr(s0) ds = (φt S1)(s 0)(S1) s(s 0) = φ(t 0) φ(t0) 0,s0 = S(t0).

Damit gehört die Parametrisierung r ebenfalls der Klasse C1 an.