3.11. Koordinatentransformation

Wir stellen uns nun folgende Frage. Falls wir aus der Physik Gleichungen erhalten, bekommen wir diese zumeist in kartesischen Koordinaten. Wissen wir zum Beispiel, dass unser physikalisches System sphärisch symmetrisch ist, werden wir wohl erwarten können, dass bezüglich Polarkoordinaten einfachere Gleichungen vorliegen werden. Aber wie rechnet man nun die partiellen Ableitungen im kartesischen Koordinatensystem in die Ableitungen nach den Polarkoordinaten um?
Gehen wir wie folgt vor. Gegeben sei eine Funktion g mit

g(x,y) = g x(r,θ),y(r,θ) = g f(r,θ) =: g̃(r,θ),

wobei f(r,θ) definiert ist, wie in Beispiel 3.10.11. Wir berechnen nun die Frechet-Ableitung von g̃ einmal direkt und einmal über die Kettenregel

g̃ r , g̃ θ ((r,θ)g̃)t = g̃(r,θ) = g x, g y((x,y)g)t x rx θ y r y θ D(x,y) D(r,θ) .

Schreiben wir diese Gleichung mit den unteren Klammern hin, erhalten wir

((r,θ)g̃)t = ( (x,y)g)t D(x,y) D(r,θ) .

Wir transponieren nun diese Gleichung und erhalten

(r,θ)g̃ = D(x,y) D(r,θ) t (x,y)g.

Wir erkennen, dass die linke Seite ein Differentialausdruck in r und θ ist, während der Ausdruck auf der rechten Seite einen Differentialausdruck in x und y aufweist. Wir schreiben, dann als Kurzschreibweise

(r,θ) = D(x,y) D(r,θ) t (x,y),

wobei die linke Seit auf g̃ = g f angewandt werden muss und die rechte Seite auf g. Nun können wir die Matrix in dieser Gleichung invertieren und erhalten

D(x,y) D(r,θ) t 1 (r,θ) = (x,y)

Beziehungsweise in genauerer Schreibweise erhalten wir

D(x,y) D(r,θ) t 1 r θ = x y .

Das Ziel war es die x und y Ableitung nur in r und θ Ableitungen auszudrücken. Die vorkommende Matrix hängt nur von r,θ ab. Das ist uns in diesem Fall gelungen, sofern wir diese Matrix berechnen D(x,y) D(r,θ) t 1. Man hätte auch D(x,y) D(r,θ) 1 t berechnen können, weil das Invertieren einer Matrix mit dem Transponieren einer Matrix kommutiert. Jedoch wenden wir für diese Matrix die Formel aus Beispiel 3.10.8 an

D(x,y) D(r,θ) 1 t = D(r,θ) D(x,y) t

und erkennen, dass diese Matrix wieder von x und y abhängig würde, was schlecht wäre. Also berechnen wir

D(x,y) D(r,θ) t 1 = cos(θ) sin(θ) r sin (θ) r cos (θ) 1 = 1 r r cos(θ) sin(θ) r sin(θ) cos(θ) .

Mit dem Ergebnis dieser Matrix erhalten wir nun

1 r r cos(θ) sin(θ) r sin(θ) cos(θ) = x y .

Wir schreiben das Ergebnis konkret für die oberste Zeile hin und erhalten

g(x,y) x = cos(θ)(g f(r,θ)) r 1 r sin(θ)(g f(r,θ)) θ .

Wir versuchen nun unsere Rechnung zu verallgemeinern. Das heißt, es sei x = f(u), wobei x,y n. Konkret bedeutet x = f(u), dass wir folgendes Gleichungssystem betrachten

x1 = x1(u1,,un), xn = xn(u1,,un),

wobei wir annehmen, dass D(x1,,xn) D(u1,,un)0. Wir nehmen zusätzlich an, dass unser Gleichungssystem mit glatt genugen Funktionen beschrieben wird, um den Satz über CpDiffeomorphismen anwenden zu können. Dann wissen wir nämlich, dass unsere Inversen auch genügend oft differenzierbar sind.

Wir nehmen uns, wie schon im Beispiel der Polarkoordinaten eine Funktion g : n und betrachten

g(x) = g f(u) = g̃(u).

Wir leiten diese Gleichung nun einmal direkt nach u ab und einmal unter Verwendung der Kettenregel ab und erhalten

(u)t = ( x)tD(x1,,xn) D(u1,,un).

Wir transponieren das Ganze, wie schon im Fall der Polarkoordinaten

u = D(x1,,xn) D(u1,,un) t x.

Auflösen nach dem Gradienten von x ergbit

x = x1 xn = D(x1,,xn) D(u1,,un) t 1 :=G(u) u1 un

Wir erkennen, dass die Matrix G(u) nur noch von u abhängt und nicht mehr von x.

BEISPIEL 3.11.1. Wir betrachten nun den Laplace-Operator im n.
Sei nun x = (x1,,xn) n und sei g : n eine glatt genuge Funktion. Der Laplace-Operator in kartesischen Koordinaten ist definiert als

Δg(x) := 2g x12 + + 2g xn2 = 2 x12 + + 2 xn2 g.

Wir wollen diesen Operator nun in spährischen Koordinaten umrechnen. Dafür schreiben wir den Laplace-Operator um

Δg(x) = x1,, xn div x1 xn gradg = xt xg = x,x mg

Die unteren Klammern sollen zeigen, wie der Laplace-Operator häufig in anderer Literatur dargestellt wird. Nehmen wir nun die Formel, die wir vor diesem Beispiel hergeleitet haben, um unseren x-Gradienten in anderen Koordinaten umzurechnen, erhalten wir

xg(x) = G(u)ug̃(u),

wobei g(x) = g̃ f(u) war. Wir verwenden diese Gleichung und können den Laplace-Operator dadurch umschreiben in

xt xg = (G(u)u)t(G(u) u)g̃ = utG(u)tG(u) ug̃ utG(u)t G(u) ug̃.

Man beachte, dass der Minus-Term notwendig ist, weil utG(u)t als Produkteregel zu berechnen ist. Konkret heißt das, dass für eine Funktion r : n folgende Formel gilt

utG(u)tr(u) = utG(u)t r(u) + G(u)t utr(u).

Wir vereinfachen das Problem und betrachten nur noch den Fall der Polarkoordinaten, das heißt n = 2. Dann sind die Komponenten der folgenden Gleichung

xt xg = utG(u)tG(u) ug̃ utG(u)t G(u) ug̃

noch zu berechnen. Wir schreiben G(u) := G(r,θ) und berechnen

Gt(r,θ)G(r,θ) = 1 r2 r cos(θ)r sin(θ) sin(θ) cos(θ) r cos(θ) sin(θ) r sin(θ) cos(θ) = 1 0 0 1 r2

Der nächste Term, der noch zu berechnen ist, ist

((r,θ)tG(r,θ)t) = r, θ cos θ sin θ 1 r sin θ1 r cos θ = 1 r cos θ,1 r sin θ.

Als Letztes fehlt uns noch der folgende Ausdruck

(r,θ)tG(r,θ)t G(r,θ) = 1 r cos(θ),1 r sin(θ) cos(θ)1 r sin(θ) sin(θ) 1 r cos(θ) = 1 r, 0 .

Setzen wir unsere Zwischenrechnungen nun in unsere Ausgangsformel ein, erhalten wir

Δ = xt x = (r,θ)tG(r,θ)tG(r,θ) (r,θ) (r,θ)tG(r,θ)t G(r,θ) (r,θ) = r, θ 1 0 01 r2 r θ 1 r, 0 r θ = 2 r2 + θ 1 r2 θ + 1 r r

Somit erhalten wir den Laplace-Operator in Polarkoordinaten

Δ = 2 r2 + 1 r r + 1 r2 2 θ2.

Unter Verwendung der Produktregel kann man auch die folgende kürzere Formel verwenden

Δ = 1 r rr r + 1 r2 2 θ2.

Falls nun der Laplace-Operator auf eine sphärisch symmetrische Funktion angewandt wird, dann wird ihre Ableitung in θ-Richtung verschwinden und unsere Problemstellung wird dadurch vereinfacht.